1957

GÖTZ VON BERLICHINGEN 1957

Schon der Straßburger Student Goethe begeisterte sich an dem Buch des Götz. Die Lebensbeschreibung des Götz (geboren zu Homberg 1480, gestorben daselbst 1562) hatte mich im Innersten ergriffen. Die Gestalt eines rohen wohlmeinenden Selbsthelfers in wilder, anarchischer Zeit“
Noch bevor die Arbeit des Götz entstand, war jener bekannter Briefsatz in Goethes junger Feuerseele gereift: „Dreingreifen, packen ist das Wesen jeder Meisterschaft“. So wurde also aus der treuherzigen Lebensbeschreibung des alten Raufbolds in etwa 6 Wochen ein Schauspiel, ein revolutionäres Drama. In jener ersten Fassung entstand eine der stärksten Szenen. Der grausige Auftritt des Boten vom heimlichen Gericht und die Erdrosselung der Adelhaid durch diesen Rächerboten. Dieser wirksame Effekt wurde in der zum Druck bestimmten Ausgabe von 1773 wieder beseitigt. Es folgten nun noch zwei weitere Fassungen. Der Urgötz und der nun meist gespielte, etwas veredelte Götz. Doch alle drei Fassungen liegt die Auflehnung des Götz gegen die geschriebene, das papierene Recht, die Empörung gegen die erbärmlichen Reichzustände zugrunde. Zu einer tragischen Gestalt wurde der alte Ritter für Goethe dadurch, dass er ihn als Vertreter eines untergehenden Standes und den Helden einer versinkenden Zeit ansah. Die Begebenheiten und ihre Zeitfolge dramatisierte Goethe in rücksichtsloser Freiheit. So erschuf Goethes geniale Fantasie die Gestalt der Adelhaid , jener genusssüchtigen Tigerkatze und buhlerisch weiblichem Dämon, wovon er selbst bekannte. „Indem ich Adelhaid liebenswürdig zu schildern trachte, habe ich mich selbst in sie verliebt“. Gespielt wurde der Götz zum ersten Mal in Berlin am 12. April 1774 (mit eingelegten Zigeunerballett!) Der Götz wurde zum Vorbild für Inhalt, Form und Sprache der gesamten jungen Dramas der Sturm und Drangzeit. Und heute ist der Götz, nicht nur des volkstümlichen Zitates wegen, eines der populärsten Klassiker – ein König unter den Klassikern!